Kapitel 7 - Was bedeutet Individualisierung

Kapitel 7 - Was bedeutet Individualisierung

Individualisierung ist der Vorgang, in dem ein Objekt oder eine Person von einer Klasse oder Gruppe ähnlicher Objekte oder Personen unterschieden wird.

Es ist eine Charakteristik der Homöopathie, dass alle ihre praktischen Vorgänge von dem Prozess der Individualisierung bestimmt werden. Bei der Arzneimittelprüfung, dem Studium der Materia medica, die aus solchen Prüfungen zusammengestellt wird; der Untersuchung des Patienten und dem Studium des Falles; der Arzneimittelwahl und der Ausübung jeglicher begleitender Therapien, die erforderlich sind, immer ist man bestrebt zu individualisieren.

Individualisierung der Mittel

Die Homöopathie erkennt die Individualität jedes einzelnen Wirkstoffes und jeder einzelnen Substanz in der Natur an. Ihre Methode des Austestens oder 'Prüfens' von Arzneimitteln an gesunden Menschen ist so entworfen und wird so durchgeführt, dass die Individualität jeden Mittels herausgestellt, und deren gesamte Kraft und ihre Beziehungen ermittelt werden. Während einer homöopathischen Arzneimittelprüfung wird die Wirkung eines Stoffes auf sämtliche Körperteile in einer großen Zahl von Menschen genauestens studiert. So bekommen wir den vollen Wirkbereich des Mittels.

Dir groben Empfindungen und Symptome wie Kopfschmerzen, Kolik, Durchfall usw. sind für einen Homöopathen nicht von großem Nutzen und so werden bei homöopathischen Arzneimittelprüfungen viel subtilere Symptome gewonnen. Wenn zum Beispiel ein Mittel Kopfschmerzen während einer homöopathischen Arzneimittelprüfung erzeugt, dann wird das Symptom durch die Schmerzlokalisierung, der Art des Schmerzes (pulsierend, berstend, brennend usw.), den verschlimmernden und verbessernden Faktoren, den Begleitsymptomen usw. vervollständigt. Die Gesamtinformation erlaubt es uns, zwischen verschiedenen Mitteln, welche Kopfschmerzen bei Arzneimittelprüfungen verursachen, zu unterscheiden, oder, um es in anderen Worten zu sagen, die Information erlaubt es uns, zwischen verschiedenen Mitteln, die fähig sind, Kopfschmerzen zu heilen, zu unterscheiden.

Individualisierung eines Falles / Patienten

Niemand würde die Aussage bestreiten, dass alle gesunden Menschen sich anatomisch und physiologisch ähneln. Und niemand würde es bestreiten, dass trotz dieser Ähnlichkeiten in Struktur und Funktion, wir alle unsere Individualitäten haben. Wir haben unsere Art zu denken, Reflexe, Emotionen, Ausdruck, Körperbau, Sehnsüchte, Aversionen, Abneigungen, Vorlieben, Hobbys, Temperaturempfindungen, Muster zu schwitzen, Speichelfluss, Schlaf, Träume; Empfänglichkeit gegenüber äußeren Einflüssen und Krankheiten usw. Diese und noch viele weitere Eigenschaften helfen, unsere Individualität zu erstellen.

Da wir alle eine Individualität in der Gesundheit besitzen, so haben wir auch eine Individualität in der Krankheit. Die Anzeichen und Symptome einer Erkrankung sind nichts anderes als die Reaktion einer Person auf die krankheitserzeugenden Erreger oder Stimuli. Jede Person reagiert auf einen äußeren Reiz gemäß seiner/ihrer Individualität und so reflektiert sich die Individualität einer Person auch in seiner/ihrer Krankheit.

In jedem Krankheitsfall beschreibt eine Person zweierlei Arten von Symptomen - gewöhnliche und ungewöhnliche. Gewöhnliche Symptome sind jene Symptome, die in den meisten Fällen einer bestimmten Krankheit vorgefunden werden. Zum Beispiel ist Fieber mit Schüttelfrost ein gewöhnliches Symptom bei Malaria, und brennender Schmerz in der Speiseröhre und saures Aufstoßen sind gewöhnliche Symptome bei Magensaftazidität. Gewöhnliche Symptome unterstützen uns bei der Krankheitsdiagnose und in dem Erstellen einer Prognose und eines Behandlungsplanes in einem Fall. Ungewöhnliche Symptome sind jene Symptome, die nur bei sehr wenigen Patienten mit einer bestimmten Krankheit vorgefunden werden. Sie reflektieren die individuelle Reaktion einer Person auf einen Krankheitserreger. Solche Symptome helfen uns bei der Individualisierung eines Patienten und bei der Auswahl eines ihm ähnlichen Mittels. Zum Beispiel kann eine fiebrige Person sich benommen oder unruhig fühlen, wird vielleicht an bestimmter Stelle wie Gesicht oder Fußsohlen schwitzen, wird vielleicht Durst auf kalte oder warme Getränke haben, wird sich vielleicht am Abend oder während der Morgenstunden besser fühlen, usw. Solche Eigenarten reflektieren die Individualität eines Patienten und sind für einen Homöopathen bei der Arzneimittelwahl von großem Nutzen.

Die Homöopathie erkennt die Individualität jedes Patienten an. Die gesamte Untersuchung eines Patienten wird mit dem Blick auf das Auffinden nicht nur der gewöhnlichen Symptome eines Falles/einer Erkrankung durchgeführt, durch die sie diagnostisch und pathologisch differenziert werden kann, sondern besonders die speziellen und besonderen Symptome, die einen Fall von Anderen der gleichen Sparte unterscheiden werden gesucht um die Individualität eines Patienten herauszufinden.

Die Homöopathie erkennt die Tatsache an, dass keine zwei Fälle oder Patienten, selbst wenn die gleiche Erkrankung vorliegt, sich exakt gleichen. Sie besagt, dass eine wahre therapeutische Wissenschaft es dem Arzt ermöglichen muss, diese Unterschiede zu erkennen und das benötigte Mittel für jedes Individuum finden zu lassen. In der klinischen Praxis sind es diese 'Unterschiede', die normalerweise den entscheidenden Faktor einer richtigen Arzneimittelwahl darstellen. Es wird gesagt, dass die Homöopathie nicht die Krankheit behandelt, sondern sie behandelt den Patienten. In anderen Worten, sie individualisiert!