Vorträge über das Organon der Heilkunst - Zum Verständnis des § 11-15
Letzten Monat haben wir die Rolle der Lebenskraft bei Gesundheit besprochen und versucht, ein Verständnis für die Thermodynamiken biologischer Systeme und ihre Beziehung zur Lebenskraft und des menschlichen Körpers zu entwickeln.
Im § 11 heißt es:
§ 11 Sechste AuflageWenn der Mensch erkrankt, so ist ursprünglich nur diese geistartige, in seinem Organism überall anwesende, selbstthätige Lebenskraft (Lebensprincip) durch den, dem Leben feindlichen, dynamischen Einfluß eines krankmachenden Agens verstimmt; nur das zu einer solchen Innormalität verstimmte Lebensprincip, kann dem Organism die widrigen Empfindungen verleihen und ihn so zu regelwidrigen Thätigkeiten bestimmen, die wir Krankheit nennen, denn dieses, an sich unsichtbare und bloß an seinen Wirkungen im Organism erkennbare Kraftwesen, giebt seine krankhafte Verstimmung nur durch Aeußerung von Krankheit in Gefühlen und Thätigkeiten, (die einzige, den Sinnen des Beobachters und Heilkünstlers zugekehrte Seite des Organisms), das ist, durch Krankheits-Symptomen zu erkennen und kann sie nicht anders zu erkennen geben.
In diesem Paragrafen sagt Hahnemann aus, dass es die gestörte Lebenskraft ist, die Krankheiten verursacht. Lassen Sie uns diese Worte genau untersuchen. Wir haben die Eigenschaften der Lebenskraft bereits in den letzten beiden Paragrafen besprochen, und hier wiederholt er einige davon, indem er sagt, dass die Lebenskraft selbsttätig und geistartig ist. Wir haben letztes Mal besprochen, dass der Begriff 'geistartig' mit 'Energie' zu tun hat und nichts mit 'Seele' oder 'Geist'. In diesem Paragrafen legt Hahnemann eine weitere Eigenschaft der Lebenskraft dar, die in unserem Körper allgemein vorhanden ist. Ich sage Ihnen später, weshalb er dies schrieb.
Er sagt weiter, dass die Lebenskraft durch den dynamischen Einfluss eines krankmachenden Faktors, der dem Leben abträglich ist, gestört wird. 'Krankmachend' bedeutet 'krankheitserregend'. Also hat der Faktor, der die Störung der Lebenskraft verursacht, eine grundlegende Eigenschaft und die ist - dem Leben abträglich zu sein. Was dies bedeutet ist, dass der krankmachende Faktor, wenn er sich selbst überlassen wird, und nicht durch eine konstruktive Kraft zurückgeschlagen wird, Degeneration und Tod eines Lebewesens verursachen wird.
Und wie greifen diese krankmachenden Faktoren unsere Lebenskraft an? Wenn die Lebenskraft nur 'Energie' ist, dann kann sie nur durch etwas beeinflusst werden, was 'dynamisch' ist, was ebenfalls 'Energie' ist. Hahnemann erklärt auch, dass diese krankmachenden Faktoren einen dynamischen Einfluss auf die Lebenskraft ausüben.
In der Fußnote zu diesem Paragrafen hat er sehr verständlich erklärt, was dynamisch bedeutet. Hahnemann nimmt das Beispiel der Anziehungskraft zwischen Erde und Mond, die den Mond um die Erde kreisen lässt. Er gibt auch die Beispiele der 'dynamischen' Wirkung des Mondes auf das Wasser bei Ebbe und Flut und der dynamischen Wirkung eines Magneten auf Eisennägel. Für ihn war dynamisch Energie, die nicht mit den Augen sichtbar ist, aber deren Wirkung mit den Sinnen wahrgenommen werden kann. Für Hahnemann war die Lebenskraft nichts anderes als eine solche Energie.
Aber Hahnemann hat in seiner Fußnote einen Fehler gemacht. Er schrieb:
"Die Stahl-Nadel wird, auch wenn der Magnet sie nicht berührt, auch schon in einiger Entfernung von ihm, selbst magnetisch und steckt wieder andere Stahl-Nadeln mit derselben magnetischen Eigenschaft (dynamisch) an, womit sie vom Magnetstabe vorher angesteckt worden war, so wie ein Kind mit Menschen-Pocken oder Masern behaftet, dem nahen, von ihm nicht berührten, gesunden Kinde, auf unsichtbare Weise (dynamisch) die Menschen-Pocken oder die Masern mittheilt, das ist, es in der Entfernung ansteckt, ohne daß etwas Materielles von dem ansteckenden Kinde in das anzusteckende gekommen war, oder gekommen sein konnte, so wenig als aus dem Pole des Magnetstabes etwas Materielles in die nahe Stahl-Nadel."
Für ihn war jetzt die Wirkung der Pocken- und Maserninfektion - genau wie die Wirkung eines Magneten - etwas, was definitiv geschah, aber nicht mit den Augen wahrgenommen werden kann. Ich werde es Hahnemann nicht vorwerfen, dass er einen solchen Fehler machte. Er hatte keine Möglichkeit, die ganze Theorie über die Mikroorganismen zu kennen und sie zu "sehen". Er konnte nur ihre Wirkung sehen und bemerkte ganz klar, dass ein Kind mit Masern nur Masern verbreitet und nicht die Pocken, und umgekehrt.
Aber diese Fußnote bringt eine interessante Wendung in die gesamte Theorie der Lebenskraft und die 'dynamische' Ursache aller Krankheiten. Hahnemann hatte gesagt, dass die Lebenskraft dynamisch ist und sie wird von dem dynamischen Einfluss des krankmachenden Faktors befallen. Und er glaubte auch, dass die 'Infektion' ein dynamischer Vorgang war. Er hob besonders Pocken und Masern hervor. Heute wissen wir, dass die Infektionen, über die er geredet hat, nicht dynamisch sind. Sie sind von materieller krankmachender Natur. Ist also die ganze Theorie falsch?
Nein. Sie müssen verstehen, dass sich Hahnemann primär auf seine Beobachtungen verließ, um seine Schlussfolgerungen zu ziehen. Die Tatsachen über die unsichtbare Ansteckung schienen wunderbar in sein dynamisches Konzept von Leben und Krankheit zu passen. Was wissen wir jetzt also? Wirft man besser die Mikroorganismen oder die Theorie von der Lebenskraft in den Papierkorb? Keines von beidem. Während Hahnemann diesen Fehler wegen der Einschränkungen seiner Beobachtungskraft machte, wusste er den Unterschied zwischen der dynamischen und materiellen Krankheitsursache genau.
Wenn Sie das Organon und die Chronischen Krankheiten sorgfältig lesen, wird Ihnen bewusst werden, dass er einen Unterschied zwischen primärer Krankheitsursache und sekundärer Krankheitsursache machte. Die Faktoren, die die Lebenskraft stören, sind die primäre Krankheitsursache und die infektiösen Faktoren wie Bakterien und Viren sind für gewöhnlich (nicht immer) die sekundäre Krankheitsursache, die nur aktiv werden, wenn die Lebenskraft ausreichend gestört ist. Wir werden das später einmal besprechen.
Was passiert jetzt, wenn es dem krankheitserregenden Faktor gelingt, die Lebenskraft zu stören? Hahnemann sagt:
“…nur das zu einer solchen Innormalität verstimmte Lebensprincip, kann dem Organism die widrigen Empfindungen verleihen und ihn so zu regelwidrigen Thätigkeiten bestimmen, die wir Krankheit nennen;”
Viele Philosophen nennen die Störung der Lebenskraft 'Krankheit'. Aber Hahnemann hat klar dargelegt, dass die 'Störung der Lebenskraft' an sich nicht Krankheit ist. Er sagt, dass, wenn die Lebenskraft gestört ist, der Körper unangenehme Empfindungen erfährt und zu irregulären Prozessen geneigt ist, die wir Krankheit nennen. In moderner Sprache ausgedrückt: Wenn die Lebenskraft gestört ist, ist die normale Physiologie des Körpers gestört und der Körper ist dazu geneigt, eine abnormale Physiologie zu entwickeln, was zur Pathologie führt. Also ist die Störung der Lebenskraft nur der erste Schritt in Richtung Krankheit. Er wird gefolgt von einer gestörten Physiologie und dann folgt die Pathologie.
Woher wissen wir jetzt, ob unsere Lebenskraft gestört ist? Hahnemann sagt, dass, da die Lebenskraft von dynamischer Natur ist, ihre Störung nur dann augenscheinlich werden kann, wenn die normale Physiologie gestört wird, was in abnormalen Empfindungen und Funktionen resultiert. Also müssen sie die abnormalen Gefühle und Funktionen finden, um die Störung der Lebenskraft herauszufinden. Die abnormalen Gefühle können vom Patienten und dem Arzt 'gefühlt' werden, aber wie finden Sie die abnormalen Funktionen? Sie werden sich als 'Symptome' manifestieren, die beobachtet und gefühlt werden können.
Ich werde hier eine kleine Warnung anbringen. Hahnemann sagt, dass sich die Störung der Lebenskraft "nur durch die Krankheitserscheinung in den Gefühlen und Funktionen der Körperteile äußert, die den Sinnen des Beobachters und Arztes zugekehrt sind".
Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit auf die Worte 'Körperteile, die den Sinnen zugekehrt sind' richten. Zu Hahnemanns Zeiten würde es geheißen haben, Zeichen und Symptome zu beobachten, die mit den Augen gesehen oder die durch eine äußerliche körperliche Untersuchung wahrgenommen werden können. Was der Arzt heute wahrnehmen kann, ist weit mehr als vor 200 Jahren. Weit mehr eines menschlichen Körpers und seines Funktionierens ist für die menschlichen Sinne direkt oder indirekt wahrnehmbar. Sei es durch ein einfaches Stethoskop, ein Otoskop, Kolonoskop, Bronchoskop, Röntgen, Ultrasonografie, Computertomografie, Pulmonalton und Magnet-Resonanz-Darstellung oder durch biochemische Tests - unsere Fähigkeit, eine Veränderung in unserem Körper wahrzunehmen, ist um ein Vielfaches gestiegen. Viele Krankheitspathologien werden heute durch Zufall entdeckt, sogar bevor noch der Patient eine bedeutende Veränderung seiner Gesundheit fühlt. Wenn Sie also ein Homöopath sind, dann würde ich Sie dazu drängen, nicht zu zögern, diese erweiterten sensorischen Werkzeuge zu verwenden, um herauszufinden, was Ihrem Patienten fehlt. Das Wissen von der Pathologie ist genauso wichtig wie irgendein anderes emotionelles - oder Gemütssymptom. Diese Werkzeuge gehören nicht nur in die orthodoxe Medizin, sie sind Diagnosewerkzeuge, die von jedem verwendet werden können, der sie sinnvoll zu nützen weiß. Wenn also diese modernen Werkzeuge zu unserem Wissen über unnormale Vorgänge' beitragen oder sie zu finden helfen, dann sollten wir sie verwenden, wann immer sie bei der Diagnose des Falles und im Fallmanagement hilfreich sind.
Ich füge hier noch eine Warnung hinzu. Viele konventionelle Ärzte tendieren dazu, unnötige Tests anzuordnen, manchmal, um der Verantwortung einer eigenen klinischen Diagnose zu entgehen und manchmal, um den Rabatt zu erhöhen, den sie von privaten diagnostischen Labors erhalten. Homöopathen sollten nicht in diese Falle tappen. Verwenden Sie diese Werkzeuge mit Bedacht und nur zum Wohle des Patienten.
Bevor ich mit dem nächsten Paragrafen weitermache, werde ich noch ein paar weitere Dinge erklären. Vorhin habe ich Ihnen gesagt, ich werde Ihnen später erzählen, weshalb Hahnemann schrieb, dass die Lebenskraft überall im Körper gegenwärtig ist. Die Antwort kommt in § 13, wo er sagt:
“Daher ist Krankheit, keinesweges wie von den Allöopathen geschieht, als ein vom lebenden Ganzen, vom Organism und von der ihn belebenden Dynamis gesondertes, innerlich verborgnes, obgleich noch so fein gedachtes Wesen (ein Unding), ... ”.
In einem früheren Vortrag habe ich Ihnen gesagt, dass das Gebiet der Medizin zu Hahnemanns Zeiten voller fantasievoller Hypothesen bezüglich der Krankheitsursache war. Es gab viele materialistische Theorien, die alle die Krankheiten einer spezifischen Organfunktion zuschreiben. Hahnemann sagt im § 13, dass die meisten Ärzte seiner Zeit versuchten, die Krankheitsursache im versteckten Inneren des Organismus zu finden. Hahnemann sagte, sie werden sie niemals irgendwo innerhalb des Körpers finden, weil die wahre Ursache die gestörte Lebenskraft ist - ein unsichtbares dynamisches Ereignis. Sie kann nur durch die Veränderungen der Gefühle und Funktionen erfahren werden.
Auch verweist Hahnemann in der Fußnote zu § 13 auf 'Materia peccans'. Sie sollten wissen, dass dies ein alter lateinischer Ausdruck ist, der sogar von Galen verwendet wurde. Wörtlich bedeutet er 'die krankmachende Substanz/der krankmachende Einfluss'. Hahnemann verwies darauf als Synonym für die krankmachende Kraft, die Einfluss auf die Lebenskraft nimmt.
Lassen Sie uns nun zum § 12 kommen, in dem Hahnemann sagt:
§ 12 Sechste AuflageEinzig die krankhaft gestimmte Lebenskraft bringt die Krankheiten hervor1, so daß die, unsern Sinnen wahrnehmbare Krankheits-Aeußerung zugleich alle innere Veränderung, das ist, die ganze krankhafte Verstimmung der innern Dynamis ausdrückt und die ganze Krankheit zu Tage legt. Hinwiederum bedingt aber auch das Verschwinden aller Krankheits-Aeußerungen, das ist, aller vom gesunden Lebens-Vorgange abweichenden, merkbaren Veränderungen mittels Heilung, eben so gewiß die Wiederherstellung der Integrität des Lebens-Princips und setzt folglich die Wiederkehr der Gesundheit des ganzen Organism nothwendig voraus.
1 Wie die Lebenskraft den Organism zu den krankhaften Aeußerungen bringt, d.i. wie sie Krankheit schafft; von diesem Wie und Warum kann der Heilkünstler keinen Nutzen ziehen und sie wird ihm ewig verborgen bleiben; nur was ihm von der Krankheit zu wissen nöthig und völlig hinreichend zum Heilbehufe war, legte der Herr des Lebens vor seine Sinne.
In diesem Paragrafen bekräftigt Hahnemann die Tatsache, dass es alleine die Störung der Lebenskraft ist, die die Krankheit hervorruft. Er sagt weiterhin, dass die Störung der Lebenskraft, die zur Krankheit führt, völlig unseren Sinnen durch die Zeichen und Symptome offenbar ist. Wenn also alle krankhaften (krankheitsbezogenen) Veränderungen während der Behandlung vom Körper entfernt wurden, weist das darauf hin, dass die Makellosigkeit der Lebenskraft und die Gesundheit wieder hergestellt sind.
Wenn wir dies nach modernen Begriffen verstehen, dann können wir sagen, dass während der homöopathischen Behandlung, wenn alle krankhaften Veränderungen (nicht nur die wahrnehmbaren Zeichen und Veränderungen) entfernt sind, die Gesundheit eines Menschen vollständig wiederhergestellt ist. Das ist logisch, weil, wenn nicht die Harmonie des Körpers und der Lebenskraft wiederhergestellt ist, die Physiologie nicht zum Normalen zurückkehren und die Pathologie nicht verschwinden werden.
Der Grund, weshalb Hahnemann sagte, dass die Gesundheit nach der Entfernung aller wahrnehmbaren Zeichen und Symptome vollständig wiederhergestellt ist, liegt darin, dass einige seiner Verleumder (wie Hufeland) ihn damit herausgefordert hatten, dass durch homöopathische Arzneien Symptome verschwinden könnten, die Krankheit aber im Körper verbliebe. Dieser Paragraf (gemeinsam mit § 8) war eine Antwort auf solche Leute, die die Wiederherstellung der Gesundheit in der homöopathischen Behandlung bezweifelten.
In der Fußnote zu § 12 sagt Hahnemann, dass es nutzlos ist, dass der Arzt genau wisse, wie die Lebenskraft gestört wird (der Mechanismus, nicht die Ursache) und wie sie zur Entwicklung der unterschiedlichen Krankheiten führt. Was er über die krankhafte Veränderung wissen muss, wird ihm in der Form wahrnehmbarer Veränderungen enthüllt. Der Rest wird ihm vermutlich für immer verborgen bleiben.
Hahnemann war, indem er diese Aussage machte, sehr weitsichtig. Seine Arbeit hing von praktischen Beobachtungen ab. Er wusste, dass seine Arzneimittel und Prinzipien funktionierten, aber es gab keinen Weg, die inneren Dynamiken des menschlichen Organismus zu jener Zeit herauszufinden. Es war vorrangig viel wichtiger, für jedermann eine bessere Behandlung zur Verfügung zu stellen, als für alle die Antworten des "wie und warum" herauszufinden zu versuchen. Er wollte, dass die Ärzte sich darauf konzentrieren, den Kranken gesund zu machen und nicht in vergebliche Spekulationen zu verfallen. Und er war darin erfolgreich, den Fokus der homöopathischen Gemeinschaft durch seine rechtzeitigen Richtlinien auf die klinische Praxis gerichtet zu halten. Das Überleben und das Wachstum der Homöopathie waren großteils von seinem Fokus auf die klinische Praxis abhängig. Mehr als sonst jemand wissen Homöopathen, dass der Beweis des Puddings darin liegt, ihn zu essen.
Heutzutage, mehr als 200 Jahre, nachdem er diese Worte schrieb, sind die Menschen immer noch nicht in der Lage, die ganze Komplexität in unserem Körper zu verstehen. Während man eine ganze Menge weiß, ist uns viel mehr unbekannt. Und was auch immer man weiß, liegt alles auf der materiellen Ebene. Das Verständnis für Lebewesen als energetische Gesamtheiten und die energetischen Dynamiken in jedem Körper sind immer noch sehr eingeschränkt.
Aber heute gibt es eine Notwendigkeit zu verstehen, wie unser Körper als Energiesystem funktioniert, wie er gestört wird, wie Krankheiten verursacht werden, was während der Potenzierung passiert und wie sich unsere Heilmittel auf unsere Körper auswirken. Die materielle Welt wird so lange nicht zufrieden gestellt sein, bis wir diese Antworten gefunden haben. Zudem ist die heutige Physik auf einem Niveau, auf dem wir hoffen können, diese Antworten in nicht allzu ferner Zukunft zu bekommen. Halten wir unsere Hoffnung bis zu diesem Tag aufrecht!
Hahnemann führt diese Gedanken in den §§ 13, 14 und 15 fort.
§ 13
Daher ist Krankheit (die nicht der manuellen Chirurgie anheimfällt), keinesweges wie von den Allöopathen geschieht, als ein vom lebenden Ganzen, vom Organism und von der ihn belebenden Dynamis gesondertes, innerlich verborgnes, obgleich noch so fein gedachtes Wesen (ein Unding), was bloß in materiellen Köpfen entstehen konnte und der bisherigen Medicin seit Jahrtausenden alle die verderblichen Richtungen gegeben hat die sie zu einer wahren Unheilkunst schufen) zu betrachten.
§ 14
Es giebt nichts krankhaftes Heilbare und nichts unsichtbarer Weise krankhaft verändertes Heilbare im Innern des Menschen, was sich nicht durch Krankheits-Zeichen und Symptome dem genau beobachtenden Arzte zu erkennen gäbe, – ganz der unendlichen Güte des allweisen Lebenserhalters der Menschen gemäß.
§ 15
Das Leiden der krankhaft verstimmten, geistartigen, unsern Körper belebenden Dynamis (Lebenskraft) im unsichtbaren Innern und der Inbegriff der von ihr im Organism veranstalteten, äußerlich wahrnehmbaren, das vorhandene Uebel darstellenden Symptome, bilden nämlich ein Ganzes, sind Eins und Dasselbe. Wohl ist der Organism materielles Werkzeug zum Leben, aber ohne Belebung von der instinktartig fühlenden und ordnenden Dynamis so wenig denkbar, als Lebenskraft ohne Organism; folglich machen beide eine Einheit aus, obgleich wir in Gedanken diese Einheit, der leichtern Begreiflichkeit wegen in zwei Begriffe spalten.
In § 13 sagt er, dass die Krankheit keine Entität ist, die irgendwo im Inneren des menschlichen Körpers verborgen ist, wie es von den Allopathen geglaubt wird, die das Leben von der materialistischen Perspektive aus betrachten. Die materialistischen Krankheitskonzepte führten zur Entwicklung des gegenwärtigen medizinischen Systems, mit allen ihren Tücken und schädlichen Behandlungen. Erinnern wir uns, dass dies Hahnemanns Gedanken gegenüber des medizinischen Systems zu seiner Zeit waren, das sich auf befremdende Praktiken wie Aderlass und fantasievolle Theorien verließ. In den letzten 200 Jahren hat die orthodoxe Medizin große Fortschritte gemacht. Manche dieser Fortschritte sind positiv, aber die zugrunde liegende Philosophie, und die Sichtweise von Leben und Krankheit, sind bis zum heutigen Tag mehr oder weniger gleich geblieben. Die orthodoxe Medizin ist heute nicht mehr so primitiv, wie sie es zu Hahnemanns Zeiten war. Sie ist ausgeklügelter, aufpoliert, ein potenterer Linderer und verstärkt hinter einem wissenschaftlichen Vorhang verborgen. Aber hinter diesem aufpolierten und wissenschaftlichen Erscheinungsbild sind die Grundlagen immer noch dieselben. Wir heben uns dieses Thema für einen anderen Tag auf. Lassen Sie uns auf den § 14 zurückkommen.
In § 14 wiederholt er, dass es in unserem Körper nichts gibt, was erkrankt ist, und das sich uns durch Zeichen und Symptome ankündigt. Was auch immer die Veränderungen im Inneren des Körpers sind, sie reflektieren als wahrnehmbare Zeichen und Symptome auf die Oberfläche. Aber er fügt hier noch eine weitere Voraussetzung hinzu - 'dem genau beobachtenden Arzt'. Das bedeutet, um all die subtilen Veränderungen, die durch den Krankheitsprozess hervorgebracht werden zu verstehen und einzuschätzen, bedarf es einer Person, die weiß, wonach geschaut werden muss, und diese ist ein scharfer Beobachter.
Im § 15 sagt er, dass die innerlich gestörte Lebenskraft und die nach außen reflektierten Zeichen und Symptome nicht voneinander getrennt werden können. Sie sind ein und dasselbe - das eine befindet sich auf der dynamischen Ebene und das andere auf der materiellen Ebene. Genauso sind auch der materielle Körper und die Lebenskraft nicht voneinander zu trennen. Den materiellen Körper kann man sich nicht ohne diese Lebenskraft vorstellen und ähnlich kann die Lebenskraft ohne diesen materiellen Apparat nicht existieren.
Zum Verständnis von Krankheit als thermodynamische Phänomene
Im letzten Vortrag habe ich Ihnen gesagt, dass der zweite Hauptsatz der Thermodynamik die Evolution komplexer thermodynamischer Systeme wie Lebewesen (die eine niedrige Entropie besitzen) nicht unterstützt, weil es einer großen Menge Energie/Arbeit bedarf, um solche Systeme aufrechtzuerhalten. Lebewesen haben eine niedrige Entropie (Die Entropie ist ein Maßstab für Unordnung. Je komplexer und geordneter ein System ist, desto niedriger ist die Entropie) und eine hohe freie Gibbs-Energie. Alle thermodynamischen Systeme tendieren zu einem Zustand der niedrigsten freien Gibbs-Energie und hoher Entropie.
Der menschliche Körper ist ein offenes thermodynamisches System. Er ist ein komplexes und geordnetes System, also hat er eine niedrige Entropie und reichlich freie Gibbs-Energie. Ohne Zufluss von Energie (durch Nahrung) wird dieses System dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik folgen und wird versuchen, einfacher, und in diesem Prozess ungeordneter zu werden, was in hoher Entropie und niedriger freier Gibbs-Energie endet.
Lassen Sie uns nun versuchen, den Krankheitsprozess mit den Begriffen der Thermodynamik zu verstehen. Hahnemann sagte, dass, da die Lebenskraft von dynamischer Natur ist, sie nur durch den 'dynamischen Einfluss' einer krankheitserregenden Kraft beeinflusst werden kann, die 'dem Leben abträglich' ist. Jede Kraft, die das feine Equilibrium dieses komplexen thermodynamischen Systems stört, kann sich als 'lebensfeindlich' herausstellen. Es kann eine Veränderung der Temperatur oder Luftfeuchtigkeit sein, ein Sinken der dem System zugeführten Energie oder ein gesteigerter Energieverlust, auf welche Weise auch immer. Grundsätzlich kann jeder physikalische, geistige, emotionale oder irdische (atmosphärische) Stress in der Störung des Equilibriums dieses thermodynamischen Systems enden.
Was geschieht nun, wenn dieses System gestört wird? Lebewesen sind weit genug entwickelt, um diese Veränderung wahrzunehmen. Erinnern Sie sich an die Lektion über den biologischen Sinn unserer Existenz? Wenn nicht, dann gehen Sie noch einmal zurück zum letzten Vortrag. Da die Erfüllung des biologischen Sinns unserer Existenz eine vordringliche Angelegenheit aller Lebewesen ist, versuchen Sie, den thermodynamischen Einfluss durch ihre Reserven zu korrigieren. Wenn es dem System (der Lebenskraft) gelingt, geschieht nichts. Alles ist in Ordnung. Wenn die Störung sehr groß ist, wird das System unterbrochen und das Leben ist verloren. Wenn die Störung des thermodynamischen Systems nicht klein genug ist, um selbst korrigiert zu werden und nicht groß genug, den Lebensverlust zu verursachen, dann beginnt das System, in einem kompensierten Zustand zu arbeiten - einem Zustand, in dem die normale Physiologie gestört ist. Die veränderte Physiologie führt zu abnormalen Empfindungen und Funktionen. Manchmal verändert sich die Physiologie so stark, dass sie selbst die Pathologie entstehen lässt. Andererseits lässt das geschwächte System im Körper eine Umgebung entstehen, die die Zunahme sekundärer Krankheitsursachen wie Bakterien und Viren verursacht, deren Wirkung auf den Körper zu einer weiteren Schädigung des Systems führt, was in nosologischen Krankheiten endet.
Und das bringt uns zum Schluss dieses Vortrages. Senden Sie mir Ihr Feedback an editor@hpathy.com und wir treffen uns beim nächsten Mal, um die Rolle der Lebenskraft bei der Wiederherstellung der Gesundheit zu besprechen. Bis dann, adieu!
Referenzen
- Hahnemann S. 1997. Organon of Medicine. B. Jain Publishers, New Delhi.
- Thaxton et al. 1984. The Mystery of Life's Origin. Lewis and Stanley, Texas.
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Dr. Manish Bhatia