Zur Geschichte der deutschen homöopathischen Krankenhäuser

Zur Geschichte der deutschen homöopathischen Krankenhäuser

Von Heinz Eppenich

Kurzbesprechung und vereinzelte Auszüge aus diesem Buch

-- Von Siegfried Letzel

 

Aus Anlass des Focus Ihres hpathy eZines auf homöopathische Krankenhäuser in diesem Monat, möchte ich Sie, liebe Leser, auf eine kleine Exkursion in die Vergangenheit mitnehmen. Und zwar zurück zu den Anfängen homöopathischer Kliniken, die bis in die Kindertage der Homöopathie zurückreichen.

Es ist heute nur mit ungeheuer viel Aufwand möglich, die noch nicht verloren gegangenen Daten und Fakten über die frühen homöopathischen Krankenhäuser zu sammeln, auszuwerten und sie in eine leicht verständliche, lesbare, kompakte Form zu bringen.
Es ist Heinz Eppenich, der den Versuch unternahm, ein solches Projekt zu realisieren – und er hat es mit vollem Erfolg vollbracht.

Seine wissenschaftliche Recherchearbeit veröffentlichte er in seinem Buch „Geschichte der deutschen homöopathischen Krankenhäuser“; ISBN 3-7760-1497-0; Karl F. Haug Verlag; Herausgeber: Institut für Geschichte der Medizin der Robert Bosch Stiftung.

Die Informationen, die dieser Einleitung folgen, sind alle diesem Buch entnommen. Wer sich jetzt erhofft, aus der Geschichte dieser Häuser einen Beweis für die Güte oder Wirksamkeit der Homöopathie zu bekommen, muss leider enttäuscht werden, schon alleine deswegen, weil die authentische Anwendung der Hahnemannschen Homöopathie kaum festzulegen ist.

Die Vorstellung der Krankenhäuser in diesem Artikel erfolgt nur sehr rudimentär. Es werden ausschließlich die allerwichtigsten Fakten erwähnt. Und leider kann die durchaus spannende und bewegte Geschichte dieser Häuser, größere Zusammenhänge und die individuelle Arbeit, Leistung und Philosophie der leitenden Klinikärzte, welche das Schicksal ihrer homöopathischen Kliniken entscheidend prägten, hier nicht beleuchtet werden. Für alle, die Interesse an der Geschichte der Homöopathie haben, ist die Lektüre von Herrn Eppenichs Werk unerlässlich. Wenn man versucht, sich ein Bild von der Homöopathie zu machen und man Hahnemanns und seiner Zeitgenossen Bücher studiert, so bildet sich eine gänzlich andere Homöopathie ab, als sie sich fast überall in der Praxis in den Krankenhäusern darstellt. Herr Eppenich zeigt sehr schön auf, wie die individuelle homöopathische Ausbildung und Philosophie leitender Klinikärzte, der Zwang gewinnorientiert arbeiten zu müssen, die Einstellung der Behörden, die soziale und politische Gesamtsituation und so vieles mehr, der Homöopathie Verzerrungen aufzwingen, die manchmal so weit gehen, dass man ernsthaft daran zweifeln darf, ob man es überhaupt noch mit Homöopathie zu tun hat. Was wäre gewesen, wenn die Homöopathie ausschließlich nach der reinen Lehre praktiziert worden wäre? Dies kann und möchte Herr Eppenich nicht beantworten, ist also auch nicht Inhalt dieses Aufsatzes.

Die „Geschichte der deutschen homöopathischen Krankenhäuser“ beginnt mit einem geschichtlichen Überblick des Krankenhauswesens allgemein und arbeitet sich dann von Krankenhaus zu Krankenhaus nach Standorten durch. Sogar weniger bedeutende Häuser hat Herr Eppenich berücksichtigt und er schließt mit Thesen zu Erfolg und Scheitern der homöopathischen Krankenhäuser, einer Schlussbetrachtung und einem Ausblick ab.

Wie Thomas Faltin feststellte, kann man sagen, dass nicht alle homöopathischen Krankenhäuser Deutschlands gescheitert sind – aber fast alle. Unter den rund 55 homöopathischen Spitälern und homöopathischen Krankenhausabteilungen, die ab 1833 in Deutschland existiert haben, konnte letztlich nur das Münchner homöopathische Krankenhaus überleben.

Viele der erfolglosen Versuche scheiterten nicht im engeren Wortsinn: Die Homöopathie hörte an diesen Häusern einfach auf zu existieren, als der verantwortliche homöopathische Arzt in Ruhestand ging oder starb. Dahinter stand allerdings auch noch eine tiefere Problematik; man darf sich fragen, weshalb die Krankenhausträger nicht gewillt oder nicht in der Lage waren, einen Nachfolger anzustellen. Auch zerbrachen Häuser ganz offensichtlich an den ungelösten homöopathischen Konflikten.

Insgesamt ist die Geschichte der homöopathischen Krankenhäuser eine Geschichte des Scheiterns, weshalb die „Homöopathischen Monatsblätter“ schon 1922 das resignative Fazit zogen: „Die homöopathischen Krankenhäuser sind in der Geschichte der Homöopathie in Deutschland eines der trübsten Bilder.“

Der homöopathische Arzt Watzke fand schon im Jahre 1867 in Hinblick auf den Untergang des ersten Leipziger homöopathischen Krankenhauses vier Hauptgründe für das Scheitern auf breiter Front. Zunächst stand die Finanzierung und Unterhaltung des Krankenhauses auf wackligen Füßen. Dann hatte das Spital stets gegen die ablehnende Haltung der Behörden zu kämpfen. Weiter eskalierte der Streit zwischen ‚reinen’ und ‚freien’ Homöopathen über die Frage, welche Ausprägung die Homöopathie am Krankenbett haben sollte. Dabei geriet der ärztliche Direktor ins Schussfeld. Außerdem war man sich uneins, was das Patientengut betraf: Sollten alle Kranken aufgenommen werden, unabhängig von ihrer „Eignung“ für eine homöopathische Behandlung? Die Gründe für das Scheitern der homöopathischen Krankenhäuser liegen also nicht allein im medizinischen, das heißt homöopathieimmanenten Bereich. Es gab auch ökonomische, politische und soziale Probleme.

Leipzig

1832: Erstes Leipziger Krankenhaus

Am 3. November 1832 veröffentlichte Dr. Samuel Hahnemann im „Leipziger Tageblatt“ folgenden Artikel, gedacht als schmähendes „Wort an die Leipziger Halb-Homöopathen“. In erster Linie war dieser Artikel an den Vorsitzenden des Homöopathischen Zentralvereins Moritz Müller und die Bastardhomöopathen, welche sich anschickten, „als Totengräber der Homöopathie hervorzutreten“, gerichtet. Diese Verfluchung der ‚Halbhomöopathen’ ließ den Streit zwischen den ‚reinen’ und den ‚freien’ Homöopathen eskalieren.

So zog sich denn ein tiefer Riss mitten durch das achtköpfige Direktorium des Zentralvereins, der als Eigentümer des künftigen homöopathischen Krankenhauses in Leipzig den Direktor und die Inspektion der Anstalt bestimmte.

Der Zentralverein hatte sich aus dem 1829 zur Projektierung einer Leipziger Heil- und Lehranstalt gegründeten „Verein zur Beförderung und Ausbildung der homöopathischen Heilkunst“ heraus entwickelt. Durch sein forsches Auftreten, mit dem er seine Heilkunst vor Verfälschungen (Allöopathisierung der Homöopathie) bewahren wollte, hat Hahnemann seine lange ersehnte Heil- und Lehranstalt „ächter Homöopathie“ geopfert.

Moritz Müller, kein ‚reiner’ Homöopath, wurde der 1. Anstaltsdirektor der Leipziger Klinik. Der von den Machtkämpfen beeinflusste wiederholte Wechsel an der Spitze der Klinik ließ dennoch eine Entwicklung zu, sodass sich Dr. Hahnemann im Juni 1834 zufrieden über die hier praktizierte Homöopathie äußerte. 1835 zog Hahnemann nach Paris.

Über die Jahre bis 1839 weiß man, dass die therapeutische Praxis auch Aderlass, Klystiere und auch physiotherapeutische Maßnahmen beinhaltete. Homöopathische Mittel wurden für gewöhnlich als C 30 und als Tiefpotenzen verabreicht. Nicht selten kamen mehr als fünf (aber auch über 10) Mittel zur Anwendung, die Krankenberichte verraten aber nicht, ob gleichzeitig oder sukzessiv.

Über die Verschreibungsphilosophie in der Klinik lässt sich sagen, dass Direktor Schweickert Arzneien, besonders Antipsorika, möglichst lange wirken ließ und nicht so bald wiederholte. Unter früheren Direktoren gab es die Praxis, dass ein Arzt einem Patienten ein Mittel verschrieb, dieser nach einigen Tagen wieder erschien, um dann von einem anderen Arzt, v. a., wenn keine wesentliche Besserung eingetreten war, ein anderes Mittel verschrieben zu bekommen, denn dieser wollte auch verordnen. Wenn beim dritten Besuch ein weiterer Arzt den Fall begutachtete, so gab er nicht selten das dritte Mittel, denn schließlich wollte auch dieser Arzt an der Heilung des Kranken teil haben. Diese Praxis führte zu Querelen der Ärzte untereinander, aber auch mit den Ärzten außerhalb der Klinik. Schweickert hat die Klinik wohl gerettet.

Die aufgezeichneten Fallgeschichten sind leider unvollständig. Potenz- und Mittelwahl und deren Wechsel blieben nicht nachvollziehbar, auch ergänzten Reinigungs-, Ableitungs- und Ausscheidungsmanipulationen die homöopathische Therapie, ersetzten sie sogar mitunter.

Es war ursprünglich geplant, die Heilanstalt für unbemittelte Kranke zu konzipieren. Jedoch schon bald ließ sich dies nicht mehr durchhalten. So mussten die Krankenhauskosten bald durch die Beiträge der Kranken (zu 30 – 40%) und durch Spenden aus dem In- und Ausland gedeckt werden. 1842 reichten die Mittel nicht mehr zur Fortsetzung des Instituts aus.

Als Leipziger Poliklinik setzte das ehemalige 1. Leipziger homöopathische Krankenhaus sein bestehen fort.

1888 eröffnete das 2. homöopathische Krankenhaus mit einer besseren finanziellen Ausgangssituation. Leider blieben gut zahlende Privatpatienten der Klinik weitgehend fern (mangelnder Komfort, ungünstige Lage u. a.), und die Kosten, die die Leipziger Ortskrankenkasse für den Großteil der Patienten übernahm, deckten die Ausgaben nicht ab. So wurde die Situation 1898 bedenklich.

Der Zentralverein musste immer mehr bezuschussen, schließlich wurde der Betrieb 1901 eingestellt.

Was weiß man über die homöopathische Praxis dieses Krankenhauses? Leiter Stifft schien sehr nach „klinischen Erscheinungen“ (wahrscheinlich klinischen Diagnosen) zu streben. Somit wäre die genuine Homöopathie verabschiedet und die Türen für eine sogenannte naturwissenschaftlich-kritische „Homöopathie“ mit einer Ausrichtung nach organpathologischen Befunden geöffnet. Allerdings war Stifft auch viel an homöopathischen Indikationen aufgrund der Arzneimittelprüfungen gelegen.

Krankenhausleiter Hans Wapler zeigt einen naturwissenschaftlich-kritischen Dogmatismus. Arzneimittelprüfungssymptome werden nicht mehr hervorgehoben, die klinische Ausrichtung steht im Vordergrund. Die Behandlungen sind großteils allöopathisch. Selbst Mixturen homöopathischer Mittel wurden angewendet. Überhaupt praktiziert Wapler die Selbstaufhebung der Homöopathie durch ihre „Eingliederung in die naturwissenschaftliche Gesamtmedizin". Anstatt in einer Medizinpluralität die genuine Hahnemannsche Homöopathie zu belassen, spaltet er sie in mehrere Homöopathien auf, die letztlich in einer Einheitsmedizin aufgehen, die sich ausschließlich auf die naturwissenschaftliche Medizin bezieht und beschränkt.

Berlin

1821 führte Ernst Stapf einige Wochen lang homöopathische Behandlungen im Berliner Garnisonslazarett und in der Charité durch. Moritz Müller: “Ein Drittheil der dort homöopathisch behandelten Kranken wurde vollkommen geheilt, mehrere derselben wirklich gebessert ...“

Wilhelm Eduard Wislicensus führte 1821 u. a. im Lazarett ein Experiment durch, bei dem von drei verschiedenen Kranken der Erste homöopathisch, der Zweite allöopathisch und der Dritte ohne Arznei behandelt wurde. Die homöopathische Methode schnitt dabei am erfolgreichsten ab.

1904 eröffnete das moderne homöopathische Krankenhaus der Wiesikestiftung mit 48 Betten, drei Operationsräumen und einem Kreißzimmer. Die Vor- und Nachbehandlung der Patienten soll der Homöopathie vorbehalten bleiben. Neben Labor, Mikroskopen und Röntgenapparat bestand die Möglichkeit, die Behandlung mit Licht, Luft, Diätetik und Bewegungstherapie mit Turngeräten zu ergänzen. Obwohl recht bald Gewinn erzielt wurde, blieb die Klinik von Spenden abhängig, denn die Ergänzung des Inventars und der Erhalt der Funktionsfähigkeit blieb problematisch.
Inwieweit die therapeutische Praxis der Berliner Klinik das Etikett „Homöopathie“ im Sinne Hahnemanns verdient, bleibt wegen zu wenigen genügend detaillierten Kasuistiken unklar. Aus Schwarz’ Vorträgen lässt sich eine ganz eindeutig naturwissenschaftliche Denkweise organspezifischer Ausrichtung bei der Mittelwahl vermuten.

Durch Ausbruch des Ersten Weltkrieges wird das Krankenhaus in ein Rotes-Kreuz-Lazarett umgewandelt. Zufriedenheit herrscht über die guten Ergebnisse der hier angewandten kombinierten inneren homöopathischen und äußeren Wundbehandlung. Die Kosten des Lazaretts können schließlich durch freiwillige Eingänge nicht mehr gedeckt werden – öffentliche Zuschüsse fehlten, der Betrieb wurde 1917 eingestellt.

München

Als wahrscheinlich einziges homöopathisches Krankenhaus überlebte das Münchner homöopathische Cholerahospital den Ersten Weltkrieg. Es eröffnete im Jahre 1836. Hervorgegangen ist es aus dem Verein homöopathischer Ärzte, die administrative Leitung übernahm Prinz Karl zu Oettingen und Wallerstein. Die Doktoren Joseph Reubel und Franz Seraph Widnmann standen mit Dr. Samuel Hahnemann in brieflichem Kontakt. Dr. Johann Joseph Roth besuchte sogar Dr. Hahnemann, 1831 in Köthen, 1836 und 1842 in Paris.

Ab 1837 musste das Spital ausschließlich von Privatmitteln finanziert werden. Nachdem die Choleraepidemie in eine Cholera sporadica übergegangen war, musste das Spital aus Mangel an nötigen Fonds schließen.

1883 öffnet das ‚Homöopathische Spital München’, eine Einrichtung, die auf einer guten finanziellen Basis an den Start ging. In den ersten 14 Monaten wurden 31 Patienten aufgenommen, davon 19 geheilt entlassen, 5 starben. Zwischen 1883 und 1903 lagen die Patientenzahlen zwischen 30 und 44. 1886 wurde ein Ambulatorium für Unbemittelte eingerichtet. Die Zahl der dispensierten Arzneien erhöhte sich beständig auf  2000 im Jahre 1901.

Das Spital verstand sich auch als Wohltätigkeitsanstalt, in der auch altersschwache, meist arme Leute, die nicht dauernd krank waren, das ganze Jahr hindurch verpflegt wurden. Dies wurde kritisiert, da dadurch in dem kleinen Haus Platz für heilbare Kranke fehlte.

Die Zahl der stationären Patienten erhöhte sich weiter auf 76 Patienten im Jahre 1908.

Im Jahre 1913 werden in dem inzwischen erstellten Neubau 114 Kranke aufgenommen, davon werden 84 geheilt entlassen, 4 sterben, 12 verbleiben in der Klinik.

Bedauerlicherweise fehlen wieder klinische Berichte, durch die sich etwas über die homöopathische Behandlung erfahren ließe. Bekannt sind isopathische Versuche mit der Nosode Tuberculin (verabreicht in der 10., 30. und 100. Potenz – in wenigen und sehr seltenen Gaben). Mehrmals wurde aber auch betont, dass die Wissenschaftlichkeit der Homöopathie sich auf das Studium der Spezifität des Mittels gründe, erkannt durch seine Erscheinungen am Gesunden.

Stuttgart

1866 wurde Paul von Sick, Chirurg, Internist und Homöopath Leiter des Stuttgarter Diakonissenhauses. Trotz homöopathischer Behandlung zeigt Sicks Statistik ein hohes Mortalitätsverhältnis von 17,4 % auf (286 Gestorbene auf insgesamt 1652 Patienten). Hauptgrund dafür war, dass ins Diakonissenhaus meist ältere Leute mit größtenteils jahrelang andauernden Krankheiten kamen, die schon von verschiedenen Ärzten mit verschiedensten Mitteln behandelt worden waren. Solche Patienten suchten nun ihren letzten Zufluchtsort, manche mit dem Wunsch, hier wenigstens in Ruhe sterben zu können.

Anders das städtische Krankenhaus Schwäbisch Hall, das statutengemäß Gewerbegehilfen, Lehrlinge und Dienstboten aufnahm: von 1851 – 1870 starben dort von 3527 Patienten nur 29 (0,82%). In keiner ähnlichen Klinik wurde ein günstigeres Verhältnis festgestellt.

Sick ordnet seine homöopathische Methode epistemologisch ganz der Naturwissenschaft unter. Aber die Ähnlichkeitsbeziehung aufgrund der Arzneimittelprüfungssymptome bleibt für Sicks das Wichtigste.

In der Regel finden Tiefpotenzen Anwendung, aber auch D 30. Vielmischerei wurde abgelehnt. Ergänzt wurde die Homöopathie durch Anwendungen mit Licht, Wärme, Wasser, Luft, Nahrungsmittel und dergleichen. Sick grenzte dennoch Homöopathie und Naturheilverfahren voneinander ab.

1915 gründete der Industrielle Robert Bosch die „Stuttgarter Homöopathisches Krankenhaus GmbH“ und schloss sich mit dem „Verein Stuttgarter Homöopathisches Krankenhaus“ und der „Hahnemannia“ zusammen.

Der Krankenhausneubau musste durch die Geldentwertung durch den Ersten Weltkrieg zunächst ruhen. So konnte es erst 1940 mit 300 Betten übergeben werden. Es erhält den Namen „Robert Bosch Krankenhaus“

à ALLES WEITERE ZU DIESEM KRANKENHAUS ENTNEHMEN SIE BITTE DER BUCHBESPRECHUNG, DIE IHM IM SPEZIELLEN GEWIDMET IST.

Köthen

1823 beklagte sich Hahnemann darüber, dass Köthen überhaupt noch kein Krankenhaus besitzt. Er brauche es „da diese Kenntnisse nicht schriftlich mitgetheilt werden können – man muss es hören, sehen und sich selbst überzeugen.“

Die Krankenhausgründung gelang erst nach Hanemanns Tod Arthur Lutze. Das Krankenhaus konnte große Popularität und beträchtliche finanzielle Gewinne für sich verbuchen.

Lutze wurde, wie auch Hahnemann, durch die Liberalität des Herzogs von Anhalt-Köthen gegenüber der Homöopathie nach Köthen gezogen. 1846 konnte Lutze bereits Erfolge durch Mesmerieren (vom Magnetiseur Julius Neuberth erlernte Heilmethode nach Franz Anton Mesmer) verbuchen. Vor seiner Köthener Zeit hatte er sich auch schon mit „sämmtlichen Mitteln“ in Hochpotenz ausgestattet. 1855 wird das Krankenhaus in Betrieb gestellt. Köthen wird zum Wallfahrtsort für Behandlungsbedürftige.

Die Sakralisierung oder „Heilandisierung“ der Heilkunst erreicht durch Lutze vielleicht ihren Höhepunkt in der Homöopathiegeschichte.Während Lutze seine Popularität weiter ausdehnt, wird er, wohl durch seine Hochpotenzen, von den Vertretern der in Deutschland vorherrschenden naturwissenschaftlichen Richtung, unterstützt durch seine selbstdarstellerische Art und seine allzu eigenmächtige Herausgabe der 6. Auflage des Organon, in dem er die Anwendung von Doppelmitteln propagierte (Hahnemann hatte sich 1833 noch davon distanziert), abgelehnt.

1864 wurden in der Poliklinik 26 690 Patienten versorgt. 51 452 Briefe mit 162 781 Krankenberichten beantwortet. Mehr als drei Viertel aller Patienten werden unentgeltlich behandelt. Die Zahlen sagen nichts über wirkliche Heilungen aus. Die rationelle „Abfertigung“ der Patienten beschreibt Lutze in seinem Lehrbuch von 1860. Lutze stellte seine homöopathischen Mittel alle eigenhändig her, nur die Ursubstanzen bezieht er von einer Apotheke. Seine Mittel werden weltweit versandt und geschätzt.

Nach Lutzes Tod bestand die Klinik noch weiter bis etwa zum Ersten Weltkrieg.

Heute darf man die Frage stellen, ob die bisherige Geschichte der deutschen homöopathischen Krankenhäuser nur eine Vorgeschichte, ein Vorschein der konkreten Utopie künftiger homöopathischer Heilanstalten ist. Eindeutig verifizieren lassen sich für den Historiker Hahnemanns Vorstellungen an keinem der hier untersuchten Krankenhäuser. Die deutsche Geschichte der Homöopathie und ihrer Krankenhäuser stand von Beginn an vor einem Dilemma. Die Verzerrung, Verfälschung und Verwässerung der homöopathischen Praxis und ihrer wesenskonstituierenden Grundlagen findet sich kontinuierlich. Worum während der Dauer des ersten Leipziger Krankenhauses, zu Hahnemanns Lebzeit, noch heftig gestritten wurde und was sich noch nicht ganz durchsetzen konnte, vollzog sich definitiv im zweiten Leipziger Krankenhaus: nicht nur die praktische, sondern – ihr zugrundeliegend – auch die epistemologische Wende, die ein knappes Jahrhundert vorher an den Pariser Spitälern eingetreten war und sich von dort verbreitet hatte. Wie damals unter den allöopathischen Klinikern hatte sich mittlerweile auch unter den homöopathischen Kollegen die Wende vom Symptom zur Läsion vollzogen. Die reine Phänomenalität war damit verlassen und die genuine Hahnemannsche Homöopathie verabschiedet worden und der Begriff „Klinische Homöopathie“ geprägt worden. Hahnemanns Wunsch, „seine“ Homöopathie am Krankenbett auch lehrbar zu machen und damit stärker zu ihrer Verbreitung beizutragen, ließ sich nicht eindeutig verwirklichen.