Vorträge über das Organon der Heilkunst - Zum Verständnis des § 16-18
In den letzten beiden Lektionen haben wir uns mit der Rolle der Lebenskraft bei Gesundheit und Krankheit befasst. Heute werde ich die §§ 16 bis 18 erörtern und die Rolle der Lebenskraft bei der Heilung untersuchen.
Im § 16 heißt es:
Von schädlichen Einwirkungen auf den gesunden Organism, durch die feindlichen Potenzen, welche von der Außenwelt her das harmonische Lebensspiel stören, kann unsere Lebenskraft als geistartige Dynamis nicht anders denn auf geistartige (dynamische) Weise ergriffen und afficirt werden und alle solche krankhafte Verstimmungen (die Krankheiten) können auch durch den Heilkünstler nicht anders von ihr entfernt werden, als durch geistartige (dynamische1, virtuelle) Umstimmungs-Kräfte der dienlichen Arzneien auf unsere geistartige Lebenskraft, percipirt durch den, im Organism allgegenwärtigen Fühlsinn der Nerven. Demnach können Heil-Arzneien, nur durch dynamische Wirkung auf das Lebensprincip Gesundheit und Lebens-Harmonie wieder herstellen und stellen sie wirklich her, nachdem die unsern Sinnen merkbaren Veränderungen in dem Befinden des Kranken (der Symptomen-Inbegriff) dem aufmerksam beobachtenden und forschenden Heilkünstler, die Krankheit so vollkommen dargestellt hatten, als es um sie heilen zu können, nöthig war.
1 So wie auch die höchste Krankheit durch hinreichende Verstimmung des Lebensprincips mittels der Einbildungskraft zuwege gebracht und so auf gleiche Art wieder hinweg genommen werden kann.
Hier wiederholt Hahnemann, dass, da die Lebenskraft von dynamischer Natur ist, sie nur von dem dynamischen Einfluss der äußeren schädlichen Kräfte angegriffen werden kann, um eine Krankheit hervorzurufen. Ähnlich kann diese dynamische Störung auf der Energieebene nur durch die dynamische Kraft, die Energie in unseren Arzneimitteln, korrigiert werden. Wie aber wirken unsere Mittel auf die Lebenskraft? Hahnemann sagt, dass die Energie in unseren Arzneien durch die Nerven wahrgenommen wird, die überall in unserem Körper vorhanden sind. Das bedeutet, dass sie einfach als Signale wirken. Sie versorgen den Körper mit gewissen Informationen, um die Störung zu korrigieren und die eigentliche Arbeit der Wiederherstellung wird durch den Körper selbst geleistet.
Jetzt wissen wir meines Erachtens immer noch nicht, was diese ‘Signale’ sind und wie diese durch die Nerven weitergeleitet werden und wie sie die Wiederherstellung der Gesundheit anregen. Es gab Einiges an nicht schlüssiger Forschung über das Gedächtnis von Wasser und Studien über magnetische Kernresonanzspektroskopie, aber wir sind immer noch ein weites Stück davon entfernt, die vollständige Dynamik hinter der Wirkung homöopathischer Mittel zu verstehen. Aber ich finde es dennoch erstaunlich, dass Hahnemann es tatsächlich verstanden hat, dass, wenn seine Mittel ‚Energie’ sind, sie nur über das Nervensystem wirken können. Ob seine Annahmen bestehen werden können, wird uns nur die Zeit zeigen. Aber bis dahin haben wir keine besseren Erklärungen für den Modus Operandi homöopathischer Mittel.
Jetzt sagt Hahnemann in der Fußnote zu diesem Paragrafen, dass selbst ernsthafte Erkrankungen mit fortgeschrittenen Pathologien von den nichtmateriellen (dynamischen) Ursachen ausgelöst werden können. Heute haben Wissenschaftler eine ganze Bandbreite von Krankheiten (wie Asthma, Bluthochdruck, hormonelles Ungleichgewicht, Reizdarmsyndrom, Colitis ulcerosa, Alzheimer usw.) dokumentiert, die durch geistige, emotionale und Umweltfaktoren verursacht oder beeinflusst werden können. Davon wurden viele inzwischen als psychosomatisch klassifiziert. Für ihn beginnen die meisten Krankheiten auf der dynamischen Ebene.
Jetzt lassen Sie uns zum § 17 kommen, in welchem Hahnemann sagt:
Da nun jedesmal in der Heilung, durch Hinwegnahme des ganzen Inbegriffs der wahrnehmbaren Zeichen und Zufälle der Krankheit, zugleich die ihr zum Grunde liegende, innere Veränderung der Lebenskraft – also das Total der Krankheit – gehoben wird1, so folgt, daß der Heilkünstler bloß den Inbegriff der Symptome hinweg zu nehmen hat, um mit ihm zugleich die innere Veränderung, das ist, die krankhafte Verstimmung des Lebensprincips – also das Total der Krankheit, die Krankheit selbst, aufzuheben und zu vernichten2. Die vernichtete Krankheit aber ist hergestellte Gesundheit, das höchste und einzige Ziel des Arztes, der die Bedeutung seines Berufes kennt, welcher nicht in gelehrt klingendem Schwatzen, sondern im Helfen besteht.
1 So wie auch die höchste Krankheit durch hinreichende Verstimmung des Lebensprincips mittels der Einbildungskraft zuwege gebracht und so auf gleiche Art wieder hinweg genommen werden kann. Ein ahnungartiger Traum, eine abergläubige Einbildung, oder eine feierliche Schicksal-Prophezeiung des, an einem gewissen Tage oder zu einer gewissen Stunde unfehlbar zu erwartenden Todes, brachte nicht selten alle Zeichen entstehender und zunehmender Krankheit des herannahenden Todes und den Tod selbst zur angedeuteten Stunde zuwege, welches ohne gleichzeitige Bewirkung der (dem von außen wahrnehmbaren Zustande entsprechenden) innern Veränderung nicht möglich war; daher wurden in solchen Fällen, aus gleicher Ursache, durch eine künstliche Täuschung oder Gegenüberredung nicht selten wiederum alle den nahen Tod ankündigenden Krankheitsmerkmale verscheucht und plötzlich Gesundheit wieder hergestellt, welches ohne Wegnahme der Tod bereitenden, innern und äußern krankhaften Veränderungen, mittels dieser bloß moralischen Heilmittel nicht möglich gewesen wäre.
2 Nur so konnte Gott, der Erhalter der Menschen, seine Weisheit und Güte bei Heilung der sie hienieden befallenden Krankheiten an den Tag legen, daß er dem Heilkünstler offen darthat, was derselbe bei Krankheiten hinweg zu nehmen habe, um sie zu vernichten und so die Gesundheit herzustellen. Was müßten wir aber von seiner Weisheit und Güte denken, wenn er das an Krankheiten zu Heilende (wie die, ein divinatorisches Einschauen in das innere Wesen der Dinge affektirende, bisherige Arzneischule vorgab) in ein mystisches Dunkel gehüllt, im Innern verschlossen, und es so dem Menschen unmöglich gemacht hätte, das Uebel deutlich zu erkennen, folglich unmöglich, es zu heilen?
Hier beschreibt er, was sich mit der Lebenskraft und dem Krankheitsprozess abspielt, wenn das richtige Arzneimittel verabreicht wird. In einfachen Worten sagt er, dass die Erkrankung durch die krankhafte Änderung der Lebenskraft verursacht wird. Diese krankhafte Veränderung, die zu der eigentlichen Krankheit führt, offenbart sich in der Form von Zeichen und Symptomen, die wir mit unseren Sinnen wahrnehmen können. Er sagt, dass dann, wenn die Zeichen und Symptome unter der Wirkung eines geeigneten homöopathischen Arzneimittels beseitigt werden, die Lebenskraft ebenfalls in Ordnung gebracht und so die Gesundheit wiederhergestellt wird.
Ich habe vorher schon erwähnt, dass einer seiner Verleumder zu sagen pflegte, dass unter der Wirkung eines homöopathischen Mittels die Symptome verschwinden können, die Krankheit aber bestehen bleibt. Zu solchen Leuten sagt er erneut, ganz gleich welches die Krankheit und die innere Störung sind, dass der Arzt die Gesamtheit aller Zeichen und Symptome beseitigen muss, um die Krankheit zu entfernen. Die Krankheit manifestiert sich in Form anomaler Zeichen und Symptome, und wenn Sie diese korrigieren, gibt es keinen Zweifel, dass die gestörte Lebenskraft und die Gesundheit wiederhergestellt sind. Sonst würden die Symptome nicht weichen.
Solchen Menschen sagt er, dass es das einzige Ziel des Arztes ist, Kranke gesund zu machen. Er hat nicht Erklärungen über die versteckte Dynamik von Krankheiten abzugeben, die er schwerlich versteht. Er hat sich nicht so zu benehmen, als ob er übernatürliche Kräfte hätte und die innere Dynamik von Krankheitsprozessen sehen könnte. In der Fußnote sagt Hahnemann, dass der Arzt keine Voraussagen über die Natur der Krankheit oder dem Todeszeitpunkt machen sollte, weil es nicht möglich ist, solche Dinge vorherzusagen. Stattdessen sollte sich der Arzt auf die Zeichen und Symptome konzentrieren, die die Sprache des Körpers sind, und diese Geschenke der Natur dazu verwenden, um dem Kranken zu helfen.
Im nächsten Paragrafen wiederholt er dies noch vehementer. In § 18 sagt er:
Von dieser nicht zu bezweifelnden Wahrheit, daß, außer der Gesammtheit der Symptome, unter Hinsicht auf die begleitenden Umstände (§. 5) an Krankheiten auf keine Weise etwas auszufinden ist, wodurch sie ihr Hülfe-Bedürfniß ausdrücken könnten, geht unwidersprechlich hervor, daß der Inbegriff aller, in jedem einzelnen Krankheitsfalle wahrgenommenen Symptome und Umstände die einzige Indication, die einzige Hinweisung auf ein zu wählendes Heilmittel sei.
So sagt er, dass nichts außer der Gesamtheit der Symptome der Krankheit gefunden werden kann, durch nichts anderes in unserem Körper kann dieser sein Verlangen nach Hilfe anzeigen. Ich habe vorher schon gesagt, dass wir heute durch die verbesserten Messinstrumente (diagnostische Geräte) viel mehr herausfinden können. Aber seine Aussage traf für seine Zeit zu. Zu einem gewissen Grad aber stimmt sie auch heute noch. Schließlich sind die Zeichen und Symptome immer noch der Hauptgrund, einen Arzt aufzusuchen. Die diagnostischen Geräte erhöhen nur unser Verständnis für den Krankheitsprozess. Sie können den Wert der Zeichen und Symptome nicht verringern.
Er sagt erneut, dass die Gesamtsumme aller Veränderungen der Gesundheit bei einem Kranken unsere einzige Richtschnur für die Arzneimittelwahl sein soll.
Wenn wir also diese drei Paragrafen zusammenfassen, so können wir sagen:
Krankheit wird durch die dynamische Störung der Lebenskraft verursacht, und sie kann nur durch den dynamischen Einfluss durch unsere Arzneimittel beseitigt werden. Der Krankheitsprozess macht sich selbst durch die äußerlich manifestierten Zeichen und Symptome bemerkbar. Der Arzt muss diese Zeichen und Symptome für die Auswahl des passenden Mittels verwenden. Die Beseitigung der Gesamtheit der Zeichen und Symptome bedeutet, dass die Störung der Lebenskraft korrigiert wurde und dass die Gesundheit wiederhergestellt ist.
Zum Verständnis des Heilungsprozesses mithilfe der Thermodynamik
In unserem letzten Vortrag haben wir besprochen, dass jeglicher körperliche, geistige, emotionale oder tellurische (atmosphärische) Stress zu einer Störung des Gleichgewichtes des thermodynamischen Systems unseres Körpers führen kann. Wenn das System sein Gleichgewicht verliert, versucht es seine Entropie zu erhöhen, was Veränderungen in unserer normalen Physiologie herbeiführt.
Weil wir die Wirkungsmechanismen unserer homöopathischen Arzneimittel immer noch nicht kennen, können wir nur annehmen, dass sie dem Körper irgendwelche Informationen vermitteln, um das thermodynamische Ungleichgewicht auszugleichen. Sie können die Informationen geben, um das Energieleck in dem System zu stopfen. Im Moment können wir das nur vermuten. Wir wissen aber, dass homöopathische Mittel wirken und wir wissen, dass sie keine materielle Substanz enthalten. Wenn es also Energie ist, dann können sie auf unser thermodynamisches System einwirken. Wir können den Vorgang noch nicht erklären, was man aber versteht, ist, dass bei Verabreichung des passenden Mittels, dieses zuerst das zugrunde liegende Ungleichgewicht korrigiert. Wenn das Gleichgewicht des biologischen thermodynamischen Systems erst einmal wiederhergestellt ist, ist der Körper in der Lage, zu seinen normalen physiologischen Vorgängen zurückzukehren. Die pathologischen Prozesse, die das Ergebnis und das Gedeihen eines höheren Entropiezustandes sind, beziehen kein unterstützendes Umfeld mehr, und der gewöhnliche Abwehrmechanismus des Körpers ist in der Lage, mit ihnen effektiv fertig zu werden.
So, das war’s für heute. Wir haben nun unsere Diskussion der Rolle der Lebenskraft bei Gesundheit, Krankheit und der Heilung abgeschlossen. Ich hoffe, Ihnen hat dieser Diskurs gefallen. Schicken Sie mir Ihr Feedback an
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Referenzen
- Hahnemann S. 1997. Organon of Medicine. B. Jain Publishers, New Delhi.
- Thaxton et al. 1984. The Mystery of Life's Origin. Lewis and Stanley, Texas.
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Dr. Manish Bhatia