Homöopathische Konstitutionsmittel für Kinder

Homöopathische Konstitutionsmittel für Kinder

Das Hörbuch

Von Frans Vermeulen

ISBN 978-3-8304-9190-3

-- Buchrezension Von Siegfried Letzel

 

Nach dem Buch ‚Kindertypen in der Homöopathie’, das im Sonntag-Verlag bereits in der siebten aktualisierten Auflage erscheint, wurde dieses Werk nun als Hörbuch veröffentlicht. Der Erfolg des Buches steht der Kritik einiger Homöopathen gegenüber, die einem Konzept ‚Konstitution, Konstitutionsmittel und Konstitutionstherapie in der Homöopathie’ ablehnend gegenüberstehen.

Dazu ein paar Worte. Der Streit um eine ‚konstitutionelle Therapie’ und Mittelwahl nach Konstitutionstyp rankt oft um die Frage, ob Konstitution überhaupt eine behandlungswürdige Erkrankung sei. Konstitutionsmerkmale werden nämlich gelegentlich wie Krankheitssymptome repertorisiert und darauf eine konstitutionelle Verschreibung aufgebaut. Die Kritiker sagen, dass sich Hahnemann immer auf das Heilbare an Krankheiten bezog und nicht auf die gesamte Person und Persönlichkeit. Bei langwierigen chronischen Erkrankungen wird es nicht das eine Mittel sein, das heilen wird. Denken sie an Fälle, in denen mehr als ein Miasma involviert ist. In der Homöopathie wird entsprechend der jetzigen Situation verschrieben. Wer sich auf das ‚konstitutionelle Mittel’, auf die ‚konstitutionelle Behandlung’ versteift, was, wenn dieses Mittel aufhört zu wirken und den Fall nicht weiter vorwärts bringt? Hat sich die Konstitution verändert? Was, wenn man DAS konstitutionelle Mittel nicht findet? Kann man dann nicht homöopathisch behandeln?

Auf der anderen Seite: Hahnemann kannte und arbeitete mit den konstitutionellen Temperamenten nach Hippokrates, sanguin, cholerisch, phlegmatisch und melancholisch ...

Man darf sich nicht verwirren lassen. Vieles, was zu diesem Thema gelesen werden kann, basiert auf Interpretationen, die von den Aussagen der grundlegenden homöopathischen Lehren abweichen. Wer also im Organon und den Chronischen Krankheiten nichts über die konstitutionelle Therapie findet, hat nichts überlesen: Es gibt sie also solche nicht.

Wie kann es dann homöopathische Konstitutionsmittel (für Kinder) geben?

In seinem gedruckten Buch ‚Kindertypen in der Homöopathie’ schreibt Frans Vermeulen, dass die Homöopathie auf unveränderlichen Naturgesetzen und festen Prinzipien gründet. Er schreibt aber auch im gleichen Absatz: „Die Behandlung der Konstitution ist der Weg, auf dem die klassische Homöopathie einen bleibenden Heilerfolg anstrebt.“ Das ist ein scheinbarer Widerspruch zu eben diesen festen Prinzipien.

Also muss man näher betrachten, was Vermeulen unter Konstitution und der Behandlung der Konstitution versteht. Ist das Vorhandensein einer bestimmten Konstitution die Krankheit? Ist sie behandlungswürdig? Ist es ethisch vertretbar, die Konstitution einer Person behandeln zu wollen?

Nun, um eine Antwort geben zu können, muss man in diesem Zusammenhang Klarheit über den Begriff Konstitution bekommen. Für die Hardliner, die sich vehement gegen die Konstitutionstherapie stellen, ist ‚Konstitution’ häufig nichts als nur die physische und psychische Erscheinung eines Menschen. Wenn man aber Vermeulen genau liest und auch den DUDEN zum Begriff ‚Konstitution befragt, so ersehen wir, dass man im medizinischen Bereich darüber hinaus auch den Schluss auf mögliche Krankheitsanlagen ziehen kann. Und dies kann für die Fallbeurteilung und die Therapie mit ihrem Verlauf von entscheidender Wichtigkeit sein.

Zur Definition:

Der DUDEN über Konstitution:

[äußere] Erscheinung, Form, Körperbau, Körperbeschaffenheit, Körperform, Körperverfassung, Leibesbeschaffenheit, Statur; (schweiz. ugs.): Postur; (Fachspr.): Physiognomie; (Med.): Habitus.

© Duden - Das Synonymwörterbuch, 3. Aufl. Mannheim 2004 [CD-ROM]

Zu Habitus:
1. Erscheinung; Haltung; Gehaben.

2. (Med.) Besonderheiten im Erscheinungsbild eines Menschen, die einen gewissen Schluss auf Krankheitsanlagen zulassen.

3. Aussehen, Erscheinungsbild (von Tieren, Pflanzen u. Kristallen).

Duden - Das Fremdwörterbuch, 9. Aufl. Mannheim 2007 [CD-ROM]

Frans Vermeulen sagt:

Die klassische Homöopathie nennt das ganze „Paket“ der unterschiedlichen Reaktionsmuster, Eigenartigkeiten und individuelle Züge auf Stimuli, verursacht durch erbliche Belastung, Anlage und Lebensbedingungen, eben durch das individuelle Anders-Sein, Konstitution:

Er schreibt: „Abhängig von seiner Konstitution wird jemand reagieren oder nicht reagieren. Was den einen stört, lässt den anderen unberührt. So wird verständlich, dass der eine krank wird, während der andere gesund bleibt, obwohl beide unter gleichen Bedingungen und Einflüssen leben mögen.

Krankwerden hängt vom Individuum ab, von der „Empfänglichkeit" und der Konstitution, die man hat. Eine genaue Inventur aller Erscheinungen auf jeder Ebene (physisch, funktionell, emotional und psychisch) ergibt ein präzises individuelles Bild des Krankseins.

Weil der Mensch als Individuum und auf seine eigene Art krank wird, (und das in seinen eigenen und eigenartigen Symptomen zum Ausdruck bringt) ist die einzige Möglichkeit zur Genesung das Erkennen und Eingehen auf das Individuelle. So ist es möglich, dass zwei Menschen mit den gleichen Beschwerden in der Homöopathie zwei verschiedene Heilmittel erhalten. Dabei berücksichtigt man die jeweilige Konstitution der beiden Individuen. Trotz der übereinstimmenden Beschwerden zeigt der eine Symptome, die der andere nicht hat. In diesen unterschiedlichen Symptomen liegt der einzige Schlüssel zum Auffinden des passenden Heilmittels - und nicht in der evtl. Übereinstimmung der Beschwerden!

Nach Vermeulen ist die Konstitution keine Konstante. Dies geht unter anderem aus seiner Aussage hervor, in der er meint: „Wird während der homöopathischen Behandlung die Konstitution allmählich stärker, werden auch die heilenden Reaktionen länger anhalten, um schließlich zu völliger Genesung zu führen.

Unter Konstitution versteht man die Gesamtheit der individuellen Merkmale geistiger, emotionaler, funktioneller und körperlicher Art, der vererbten Merkmale und der spezifischen Reaktionen auf Einflüsse von außen. ...

Der Mensch entwickelt sich in seinem Leben fort. Man kann sagen, seine Konstitution entfaltet sich allmählich. Er wird ständig sich ändernden Lebensumständen ausgesetzt, sowohl von innen wie von außen, auf geistigem, emotionalem und physischem Niveau. Während dieses Entwicklungsprozesses kann einiges misslingen. Probleme werden nicht angepackt oder nicht gelöst, Möglichkeiten werden entdeckt oder unterschätzt, Fähigkeiten werden unterdrückt. Das Bild, das der Mensch von sich selber aufbaut oder das ihm seine Umgebung aufdrängt, kann ihn von seiner wahren Wesensart wegführen.

Das etwas ausführliche Zitieren Vermeulens aus einem anderen Produkt als dem hier rezensierten war einfach notwendig, um verstehen zu können, weshalb Arzneimittel in diesem Hörbuch so dargestellt werden, wie wir sie hören.

Die beiden das Hörbuch enthaltenden CDs werden in einem Slimcase ausgeliefert, wie wir es von den meisten Musik- und Spielfilm-DVDs her kennen. Ein vierseitiges Einlageblatt enthält nur den Buchtitel, die Inhaltsangabe, eine Werbung für Vermeulens Buch „Kindertypen in der Homöopathie“ und auf der Rückseite bibliografische Angaben sowie urheberrechtliche und haftungsrechtliche Floskeln.

Auf der Rückseite der DVD-Hülle wird dem Käufer in wenigen Worten das auditive Lernen, das das Hörbuch ermöglicht, schmackhaft gemacht. Leider enthält der kurze Absatz auch noch die ‚Anleitung’ „... sogar Autofahrten können Sie so nutzen, um Arzneimittel näher kennenzulernen“. Das finde ich bedenklich. Es gibt eindeutige Untersuchungsergebnisse, die beweisen, dass das konzentrierte Zuhören, und somit erst recht das Lernen während des Autofahrens, die Konzentration und die Aufmerksamkeit für den Straßenverkehr eines Autofahrers merklich reduziert und die Unfallträchtigkeit erhöht. Dies kennen wir auch von Telefongesprächen mit und ohne Freisprecheinrichtungen. So ist es schon angebracht, dass es in dem Beilageblatt heißt: „Eine Haftung des Autors, des Verlages oder seiner Beauftragten für Personen-, Sach- oder Vermögensschäden ist ausgeschlossen“. Ein wahrlich riskantes Hörvergnügen ...

Während das gedruckte Buch eine Kurzbeschreibung von Homöopathie und Konstitutionsbehandlung enthält, finden wir in dem Hörbuch nur Mittelbeschreibungen. Nicht von 36 Mitteln wie im Buch, sondern nur eine Auswahl von 19 Mitteln. Außer diesen Mittelbeschreibungen ist nichts weiter auf den CDs enthalten.

Beim Vergleich, welche Mittel jedes Medium jeweils enthält, fällt auf, dass das Hörbuch Mittel beschreibt, die im gedruckten Buch fehlen. Diese Mittel sind Aconitum, Baryta carbonica, Belladonna, Hyoscyamus niger, Mercurius solubilis Hahnemanni und Stramonium. Dies ist also fast ein Drittel aller Mittel. So können wir auf den ersten Blick sehen, dass das Hörbuch das gedruckte Werk nicht ersetzt, sondern ergänzt.

Die Mittelbeschreibungen im Hörtext orientieren sich am Buch.

Am Beispiel Calcium carbonicum habe ich die Texte von Buch und Hörbuch verglichen. Das Hörbuch behandelt die nichthomöopathischen Allgemeininformationen zu Kalzium ausführlicher. Wenn man dann die Informationen zur Calc. carb-Konstitution vergleicht, dann gibt es nur wenige Unterschiede. Passagen wurden gelegentlich umformuliert und mitunter sogar durch sinnveränderte Beschreibungen ersetzt.
So wurde aus einer ‚hellen’ Haut eine ‚dünne’, aus ‚mehr Fett als Muskulatur’ ein ‚schwaches Bindegewebe’. Ansonsten sind die Unterschiede bedeutungslos.

Nicht wenige Eigenschaften und –arten, sowie Symptome, die in diesem Hörbuch erwähnt werden, werden Sie so oder ähnlich auch in anderen Materia medicas finden, so zum Beispiel fett gedruckt in Phataks Homöopathischer Arzneimittellehre. Jedoch legt Vermeulen den Schwerpunkt auf das Verhalten und die Entwicklung von Kindern. Physis, Psyche, Sozialverhalten, schulische und intellektuelle Entwicklung, Essgewohnheiten ...: Aus allen wichtigen Lebensbereichen eines Kindes erhalten wir mitteltypische Informationen.

Vermeulens Buch zum selben Thema ist ein absoluter Bestseller in der Homöopathieliteratur. Nicht zuletzt deshalb, weil es leicht verständlich in die Methodik der Konstitutionstherapie mit Einzelmitteln einführt und eine sehr lebendige Sprache verwendet, die es dem Leser leicht macht, sich die beschriebenen Kinder vorzustellen.

Das Hörbuch erreicht dies in gleichem Maße und macht es daher ebenso empfehlenswert wie das geschriebene Werk. - Aber nur mit der Einschränkung, dass zu viele wichtige Mittel schlicht und einfach fehlen, und dass die Einführung, die man als Heftchen dieser Box hätte beifügen können, nicht enthalten ist.

Lesern, die sich mit dem Thema Kindertypen und Konstitutionstherapie in der Homöopathie befassen möchten, würde ich erst einmal zu Vermeulens Buch raten. Wer die Einführung in die Thematik nicht mehr benötigt und auf einige Mittelbeschreibungen verzichten kann, findet in dem Hörbuch einen angenehm simplen Einstieg in die Materia medica mit dem Schwerpunkt Kinder. Für Menschen, die gerne mit geschlossenen Augen lernen, ist das Hörbuch natürlich ebenfalls sehr zu empfehlen – und nochmals: dann bitte nicht, wie auf der Rückseite empfohlen, beim Autofahren.